Mo. - Sa. | 10.00 - 19.00 Uhr |
Zeppelinstraße 4
50667 Köln
Anfahrtsskizze
Hans Collardin ist bereits seit vielen Jahren als Prokurist in unserem Haus beschäftigt. 1972 wird er zum Geschäftsführer ernannt und kümmert sich darum, dat "d'r Lade läuf". 1973 tritt Gertraud Ortloff-Roever, die Witwe Erich Ortloffs, ihren Posten als Geschäftsführerin ab und wird Hälfte-Eignerin unseres Unternehmens.1
Arbeitswelten, Kundenansprüche, Sortimente, … Viel verändert sich. Wusstet ihr, dass die allererste E-Mail bereits 1971 verschickt wurde? Anfangs haben wir bei Ortloff gegrinst und weiter auf unseren Schreibmaschinen herumgetippt – ävver dat do jet en Bewegung kütt, dat merken m'r all janz akkurat. Und wir freuen uns darüber und auf den Wandel! Denn wenn wir eines nicht möchten, dann ist das Stillstand.
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Willkomme em Johr 1923, willkomme en minge Kölle! Es ist dreckig, an jeder Ecke sieht man Obdachlose und hungrige Kindergesichter. Es gibt zu wenig Wohnungen und noch weniger zu essen. Ävver isch kann mer nit helfe: Isch leev ming Stadt! Und die Menschen, die hier leben. So hart der Alltag für uns alle ist, irgendjemand hat doch immer en witzigen Sproch op d'r Lippen und manchmal sogar noch einen Kanten Brot für meine drei jüngeren Geschwister und mich übrig.
Wir wohnen in einer kleinen, düsteren Bude am Großen Griechenmarkt. Es ist nicht schön, aber immerhin ist es ein Dach über dem Kopf. Meine Eltern geben sich alle Mühe, uns über Wasser zu halten, ävver et es hadd. Vor allem, seitdem die Preise immer weiter in die Höhe schnellen.
Vor vier Jahren haben wir noch 1,25 Mark für ein Kilo Brot bezahlt. Jetzt, Anfang 1923, sind es 750 Mark4 – dat muss man sich ens vörstelle! Und die Preise steigen jeden Tag. Warum das Ganze? Weil Deutschland es nicht hinbekommt, seine Reparationsleistungen zu zahlen, die es im Versailler Vertrag nach dem Ende des ersten Weltkriegs zugesagt hat. Was macht man dann? Man druckt einfach mehr Geld, ganz klar. Dass damit die Inflation durch die Decke schießt, hätte die Regierung sich eigentlich denken können – do wees de doch beklopp.
Als ob das nicht reichen würde, sieht man jetzt überall französisches Militär in den Straßen. Frankreich ist ab dem 11.01.1923 im Rheinland und im Ruhrgebiet einmarschiert, um sicherzustellen, dass unsere Minen nicht absichtlich weniger produzieren, um Reparationsleistungen zu verhindern3 – sagen sie zumindest. Isch persöhnlich sin dat esu: die Franzosen versuchen, uns abzutrennen und vom Rest Deutschlands zu isolieren!
Die deutsche Regierung hat zum "passiven Widerstand" aufgerufen. Wir sollen also die Franzosen nicht bekämpfen, aber ohne Gewalt uns weigern, ihre Forderungen zu erfüllen. Trotzdäm brodelt et üverall, de Stimmung es total angespannt. In Köln ist am 23.01.1923 sogar ein Mädchen von einem französischen Soldaten erschossen worden – obwohl es gar nichts gemacht hatte, es stand einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort!3 Su jet määt misch wödig. Mit den ganzen Nationalisten, die jetzt durch die Straßen ziehen und patriotische Lieder singen kann ich trotzdem nichts anfangen. Sie rufen nach Rache, beschwören das so genannte Deutschtum und dürsten nach Blut. Haben wir davon nicht schon viel zu viel gesehen, haben alle den ersten Weltkrieg schon vergessen?
Wenn mich das alles bedrückt, dann spaziere ich durch mein geliebtes Köln und sehe mir die ganzen Baustellen an. Denn trotz allem passet he jerade esu vill! Die Festungsringe werden abgebaut, das ist auch eine Abmachung aus dem Versailler Vertrag. Stattdessen will Oberbürgermeister Konrad Adenauer hier breite Parkbänder anlegen, Grüngürtel sollen sie heißen. Isch kann mer nit vorstelle, wie dat ussinn soll!
Auf die Schäl Sick komme ich eher selten, da kenne ich kaum jemanden. Aber vom Rheinufer kann ich drüben in Deutz die Messe sehen, die sich mitten im Bau befindet. Hier kann man den Gebäuden fast schon beim Wachsen zuschauen.
Und weit draußen, in Müngersdorf, soll ein großes Stadion gebaut werden. Ob hier mal richtig gut gekickt wird? Ich treffe mich lieber im Hinterhof mit meinen Freunden, wenn wir mal mit dem alten Lederball spielen wollen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir von unserer alten Nachbarin nicht erwischt werden – et hät emmer Sorge üm ihre kümmerliche Blömscher, de bei ehr für d'r Türe stonn.
Hück es ming Glückstag! Ich war bei Erich Ortloff. Er hat vor Kurzem ein Geschäft für Büromöbel und Bürobedarf am Ursulaplatz eröffnet. Es läuft so gut, dass er einen Lehrjungen braucht, der ihn unterstützt.
Also habe ich mir mein bestes Hemd angezogen und mir ordentlich das Gesicht gewaschen, um bei ihm vorstellig zu werden. Jung, war isch baserich! Erich Ortloff ist zwar kaum 10 Jahre älter als ich, aber schon so erwachsen und ein richtiger Geschäftsmann. Er hat mich richtig in die Mangel genommen, um zu sehen, was ich kann – sogar vorrechnen musste ich!
Am Eng hät et all geklappt: Ich darf bei ihm in die Lehre gehen und fange direkt morgen an. Das ist wichtig, weil ich dringend Geld verdienen muss für meine Familie und mich – dank der Hyperinflation wird alles teurer und wir sind nicht reich.
Ich bin schon ganz gespannt, was ich alles lernen werde und welche Aufgaben ich bekomme. Hoffentlich vermassele isch dat nit.
Leeve Jung, ming Hätz schleiht wie jeck. Ich komme gerade von Maria. Ich hatte ihr einen Maibaum gesetzt und nach altem Brauch muss ich mich genau einen Monat später als ihr Verehrer zu erkennen geben. Öm a Hoor hätte isch mich nit getraut. Aber dann habe ich all meinen Mut zusammengenommen und bin zu ihr und ihren Eltern gegangen.
Mit wackeligen Knien stand ich vor der Tür und knetete mit feuchten Händen meine Mütze so fest, dass sich beinah die Nähte lösten. Ich klopfte an die Tür und gefühlt verging eine Ewigkeit, bis sie sich öffnete. Und da stand dann … nein, nicht Maria, sondern ihre Mutter. Ich fing an herumzustottern – Nä, wor dat unaangenähm! Aber bevor ich mich noch mehr blamieren konnte, tauchte Maria auf und linste über die Schulter ihrer Mama. Verschmitzt grinste sie mich an und ich glaube, dass ihre Augen richtig aufleuchteten!
Da versuchte ich mich zu sammeln und sagte den Spruch auf, den ich den ganzen Weg zu ihr auswendig gelernt hatte: "Jode Tach Maria, isch han dir d´r Maibaum jesatz. Möchtest de verleech ens met m'r am Rhing prummeneere?" und streckte ihr dabei schnell die drei Blümchen entgegen, die ich bei meiner Nachbarin geklaut hatte.
Maria nahm die Blumen und gab mir die Hand. Sie bat mich herein und ihre Mutter schnitt den Kuchen an, den sie dem Brauch nach für den Verehrer ihrer Tochter vorbereitet hatte. Mit Marias Bruder, dem Hans, bin ich schon lange befreundet. Er klopfte mir grinsend ein paar Mal auf die Schulter, so fest, dass es mich fast aus den Schuhen riss.
Dann aßen wir Kuchen und isch versuchte ne jode Endrock ze maache. Später brachte mich Maria bis zur Haustür. Als uns keiner mehr sah, flüsterte sie mir ins Ohr "Isch hatt gehofft, dat d'r Maibaum vun dir es" und küsste mich ganz schnell auf die Wange – ich dachte, ich werde ohnmächtig.
Jetzt muss ich schnell zurück an die Arbeit, ich war schon viel zu lange weg. Mal sehen, ob ich einen Locher als einen Anspitzer verkaufe. Ob minge Baas Erich Ortloff akutes Verliebtsein als Entschuldigung für notorische Unkonzentriertheit akzeptiert? Isch gläuve jo nit …
Es ist so viel passiert in den letzten Jahren, isch kann et nit jläuve. Ortloff gibt es gerade mal acht Jahre, aber innerhalb kürzester Zeit haben wir uns einen richtigen Namen in der Stadt gemacht. Mittlerweile hat Ortloff 25 Mitarbeiter und unser altes Geschäft am Ursulaplatz platzt aus allen Nähten. Deswegen ziehen wir um, und zwar in die Zeppelinstraße 4.2 Hier, im Kaufhaus Isay, haben wir genug Platz und ming Baas kann endlich eine Idee umsetzen, von der er schon lange geträumt hat: Wir eröffnen eine ständige Büromöbel-Ausstellung.2 Hier können die Kunden alles genau unter die Lupe nehmen und sich ausführlich von uns beraten lassen.
Apropos: Für Erich Ortloff ist Beratung das Allerwichtigste. Während andere Unternehmer ihre Mitarbeiter "einfach mal machen lassen" führt unser Chef mit uns Verkäufer- und Mitarbeiter-Schulungen durch.2 Als ich das unseren Geschäftsnachbarn in der Zeppelinstraße bei einem Feierabend-Kölsch erzählt habe, haben die mir einen Vogel gezeigt – dat es so verdötsch, dat määt en de 1930er doch nümmes! Aber Erich Ortloff ist eben ein echter Geschäftsmann, er überlässt nichts dem Zufall.
Umzug in die Zeppelinstraße: 1931 findet Ortloff im Kaufhaus Isay sein neues Zuhause.
Könnt ihr euch an Maria erinnern? Diesem lecker Mädsche habe ich vor drei Jahren zum ersten Mal einen Maibaum gesetzt. Un wat sull isch sagen, isch ben emme noch verröck noh ehr, och noh all de Johre. Sie ist klug und witzig und wunderschön. Und zum Glück findet sie mich auch gar nicht so verkehrt. Seit einiger Zeit sind wir ein Paar. Wir gehen nach meinem Feierabend zusammen spazieren, reden über Gott und die Welt und wenn niemand in der Nähe ist, kann ich ihre Hand nehmen und m'r sujar manchmol ne Bützje klämme.
Jetzt wollen wir heiraten. Ich habe bei ihrem Vater so richtig um ihre Hand angehalten, wie sich das gehört. Er hat sofort zugestimmt und wir haben einen viel zu starken Schnaps miteinander getrunken. Im es klor, dat isch ne goode Partie ben: Natürlich sehe ich fantastisch aus und habe gute Manieren, aber vor allem habe ich eine respektable und sichere Anstellung und werde Maria gut versorgen können. Ortloff kennt mittlerweile fast jeder in der Stadt. Gerade haben wir expandiert und sind in größere Geschäftsräume in der Zeppelinstraße umgezogen. D'r Lade jeht baschtich jood!
Ich bin jetzt 23 Jahre alt, Maria ist 21 – es wird also auch Zeit mit dem Heiraten! Ming Baas Erich Ortloff habe ich auch schon informiert. Er freut sich für uns und hat mir sogar einen Tag Extraurlaub versprochen. Maria und ich ganz schön aufgeregt. Ävver sulang isch em richtige Moment "jo" sage, kann eigentlich nix passiere.
Isch kann et nit jläuve. Erst wird dieser seltsame Typ im Januar Reichskanzler und dann gibt der Deutsche Reichstag Ende März auch noch all seine Macht an ihn ab. "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" heißt das, dass ich nicht lache. Eigentlich ist es nämlich so, dass es jetzt keine Gewaltenteilung mehr gibt – und dieser Wicht Adolf Hitler jetzt einfach machen darf, was er will.
Ävver dun misch nit verrode! Ich darf so etwas nicht mehr laut sagen. Kritik an der Regierung kann ab sofort als Verbrechen bestraft werden und isch han kein Loss im Klingelpütz zu lande.
Ich habe das Gefühl, die unterziehen uns einer Hirnwäsche. Wo soll dat nor hinföhre?
Wusstet ihr, dass Anfang 1933 etwa 16.000 Juden in Köln gelebt haben?1 Also ich nicht. Weil et mer komplett ejal wor! Ob jemand jüdisch war oder nicht, spielte gar keine so große Rolle.
Aber seitdem Hitler Reichskanzler ist, geht es quasi um gar nichts anderes mehr. "Die Juden sind Parasiten und an allem schuld", sagt er. Et es jo och schön leich.
Am 31.März 1933 war ich auf Botengang für Erich Ortloff und bin zufälligerweise am Reichensperger Platz vorbeigekommen. Da haben sie aus dem Gerichtsgebäude dort jüdische Richter und Rechtsanwälte herausgezerrt, auf einen Müllwagen gepackt und durch die Straße gefahren.1
Und nur einen Tag danach wurde im ganzen Land zum "Judenboykott" aufgerufen. Wir sollen in keinen jüdischen Geschäften kaufen, uns von keinen jüdischen Ärzten behandeln oder uns von jüdischen Anwälten beraten lassen. Vor jüdischen Geschäften stehen jetzt SA-Männer und Möchtegerns von der Hitlerjugend rum und schüchtern Käufer ein.1
God finge isch dat nit. Ävver isch traue mich nit ming Muul opzomaache.
De Naach vum 30. op dr 31. Mai 1942 wor ens üvvel. Über 1.000 britische Flugzeuge fliegen einen schweren Angriff auf unsere Stadt. 486 Menschen kommen dabei ums Leben, über 5.000 werden schwer verletzt und 45.000 Kölner werden obdachlos.1 Mit schlotternden Knien saß ich im Luftschutzbunker und zuckte bei jeder Erschütterung zusammen. Isch hatt so en Angs…
Beim "1000-Bomber-Angriff" werden unzählige Gebäude schwer beschädigt oder sogar vollkommen zerstört – so wie unser schönes Geschäftshaus.2 Als ich einen Tag nach dem Angriff vor der ehemaligen Fassade stehe, erkenne ich nichts wieder. Kaum ein Stein steht noch auf dem anderen, isch künnt hüüle.
Ävver ming Baas göözt nit. Erich Ortloff sucht nach Alternativen, wo und wie er sein Geschäft weiterführen kann. Wir haben Übergangsquartiere am Hohenzollernring/Ecke Klapperhof, in der Albertusstraße und die Verwaltung arbeitet zeitweise sogar in Bergneustadt.2
Unger uns: Ich hoffe, das alles dauert nicht mehr lange. Ich möchte Frieden und ich möchte zurück in unsere heißgeliebte Zeppelinstraße.
Von 1942 bis 1944 hat Ortloff ein Übergangsquartier am Hohenzollernring.
Ming ald Kölle jit et nit mieh. Seit drei Jahren wird meine geliebte Stadt bombardiert, viele haben Köln mittlerweile verlassen. Wer noch da ist, sitzt auf gepackten Koffern – stets bereit, beim nächsten Fliegeralarm Zuflucht zu suchen in Bunkern und Luftschutzkellern. In der Nacht zum 29. Juni 1943 wurde es besonders schlimm. Während des "Peter-und-Paul-Angriffs" kamen 4377 Menschen ums Leben, über 230.000 Kölner wurden obdachlos und die Innenstadt in ein Trümmerfeld verwandelt.1 Dat uns Dom noch steiht is wie e Wunder…
Jott sei Dank, dr Kreech is vörbei. Im März sind die Amerikaner im linksrheinischen Köln angekommen, im April haben sie dann auch die Schäl Sick besetzt.
Dat wat se hee vürfinge is traurig. Gerade mal 40.000 Menschen leben noch hier. Die Stadt ist zu 40 Prozent zerstört, die Innenstadt sogar zu 90 Prozent. Von 150 Kirchen sind 91 vollständig zerstört. Insgesamt hatte es in Köln 262 Luftangriffe gegeben1, so viele wie in keiner anderen deutschen Stadt. Unzählige Menschen sind in so vielen verschiedenen Zusammenhängen verfolgt, gefangen genommen, vertrieben, deportiert und ermordet worden – wat en furchbare Bilanz...
Mir Kölsche looße de Kopp nit hänge – und Erich Ortloff als echter Unternehmer schon gar nicht! Direkt nach Kriegsende setzt er alles daran, sein Geschäft wieder ans Laufen zu bekommen.
Um das zu bewerkstelligen, packe all mit aan. Und das wortwörtlich! Denn nach Kriegsende steht in Köln fast kein Stein mehr auf dem anderen. 32 Millionen Quadratmeter Schutt kommen nach Kriegsende in Köln zusammen – mehr als in jeder anderen Großstadt Westdeutschlands.1
Mit sechs bis sieben Mitarbeitern wird der erste Ortloff-Geschäftsraum in der Zeppelinstraße entschuttet, entrümpelt und auch in Eigeninitiative betoniert, gemauert und für den Verkauf abgetrennt.2 Dat es hadde Arbeid, dat sage isch üsch! Ävver et lohnt sich.
Im Köln der Nachkriegsjahre ist es extrem schwer, an Materialien zu kommen. Der Schwarzmarkt blüht auf, es wird geschmiert und geschoben, was das Zeug hält. Ich habe gehört, dass Erich Ortloff Nägel gegen Kohlen tauschte, die er wiederum in Büromöbel verwandelte. Und Grünkohl soll er zu Schreibmaschinen gemacht haben!2 Man munkelt sogar, dass er für den Aufbau der Geschäftsräume seine Mitarbeiter hat Steine klauen lassen2 … Ov dat och esu stimmt? Isch weiß et ja nit. Aber selbst wenn: schließlich hat der ehrwürdiger Erzbischof Frings in einer Predigt uns sogar die Absolution erteilt, dass man in der Not das nehmen darf, was man braucht.1 Und so gehen jetzt in der Nachkriegszeit viele gute Katholiken Kohlen oder Lebensmittel "fringsen" – warum also nicht auch Erich Ortloff!
Ich liebe meine Kinder! Ävver af un zo maache se mich verröck. Mit meinem Herzblatt Maria habe ich drei Kinder: Hildegard ist 14, Bärbelchen ist 11 und dann gibt es noch Hans, genannt Henneschen. Wir haben ihn nach Marias Bruder benannt, der uns damals miteinander bekannt gemacht hat, lange ist es her …
Meine Kinder sind so unterschiedlich! Hildegard ist ein Wildfang, Bärbelchen ist verträumt und Henneschen ein neugieriger Forscher, der alles unter die Lupe nehmen muss. Er ist jetzt 6 Jahre alt und kommt dieses Jahr in die Schule. Er kann es kaum erwarten! Jeden Tag fragt er uns, wann es denn endlich soweit ist. Er ist so wissbegierig, er wollte sogar schon das Alphabet lernen un hät m'r nit en Rau gelassen bis wir ihm ein paar Buchstaben beigebracht haben.
Ganz aufgeregt war er, als wir ihn im Schulbedarfs-Geschäft mit allem ausgestattet haben, was er für den ersten Schultag braucht. Ich versuche ja minge Baas zu erklären, dass Schulbedarf eine tolle Ergänzung für unser Sortiment bei Ortloff wäre, aber er will nichts davon wissen und sich lieber voll und ganz auf Büroausstattung konzentrieren. Ävver wann ehr mich frooch, alles rund um Schule würde sehr gut zu Ortloff passen …
Abends schaut sich Henneschen seinen Tornister an, der schon in der Ecke bereitsteht für den ersten Schultag. Ganz bedächtig packt er seine Stifte aus und wieder ein und blättert durch die unbeschriebenen Seiten der Hefte. Ich glaube, er merkt jetzt schon, dass in der Schule ein ganz neues Universum an Wissen auf ihn wartet. Wat weede wal sing Lieblingsfächer?
Sechs lange Jahre hat es gedauert, jetzt ist es endlich soweit: Wir können Ortloffs Pforten in der Zeppelinstraße wieder öffnen. Bereits 1942 wurden unsere Geschäftsräume komplett zerbombt. Während des Krieges und in der ersten Nachkriegszeit musste ming Baas Erich Ortloff kreativ werden, um das Geschäft in Übergangsquartieren weiterzuführen. So schnell es ging, haben wir uns dann daran gemacht, die Geschäftsräume in der Zeppelinstraße wieder aufzubauen. Leev Lück, dat wor hadde Arbeid!
Mit dem Richtfest im August 1948 feiern wir nicht nur die Wiedereröffnung, sondern gleichzeitig das 25-jährige Geschäftsjubiläum von Ortloff.2 Wenn ich ganz genau hinschaue, kann ich bei ming Baas Erich Ortloff sogar ein Tränchen in den Augen sehen - zugeben würde er das natürlich nie!
All die Aanstrengungen han sich gelohnt. Bereits 1948 kann Erich Ortloff schon wieder 45 Mitarbeiter um sich versammeln. Nach und nach wächst das große Ladenlokal Ecke Alter Posthof - Zeppelinstraße. Damit ist er in der Nachkriegszeit in Köln einer der ersten, der so ein großes Vorhaben umsetzt.
Ortloff setzt auf gute Beratung und Expertise im Bürobedarf.
En d'r ganze Stadt geiht et jood vöraan! Bis 1950 werden in Köln fast 600 gewerbliche Unternehmungen gegründet.1 Es explodiert die Wirtschaft, die Menschen wollen kaufen, investieren und wir bei Ortloff profitieren davon. Wir platzen so aus allen Nähten, dass unsere Verwaltung sogar in Räume der Kreissparkasse am Neumarkt ausgelagert werden muss.2
Jedes Jahr planen wir Um- und Ausbauten. Ständig hat unser Chef neue Ideen und das Unternehmen wächst unablässig. Ich glaube, sein Erfolg beruht auf seinem wahnsinnig guten Geschäftssinn. Er setzt voll und ganz auf kompetente Beratung und Kundennähe.2
Isch gläuve mir sin met Ortloff op enem rischtich jode Wäch.
Freud un Leid lige noh zosamme. Im August verstirbt Mathilde, Erich Ortloffs Frau.2 Sie war diejenige, mit der er in den 20er Jahren am Ursulaplatz das erste Geschäft zum Erfolg führte, mit der er in die Zeppelinstraße umzog und mit der er die Schrecken des zweiten Weltkriegs überstand. Ich kannte sie schon ewig, seit meiner Lehre als junger Panz! Un jetz es se effe nit mih do.
Aber das Geschäft lässt uns kaum Zeit, traurig zu sein. Die Firma Ortloff wächst wie verrückt. Wir verkaufen ja nicht nur Bürobedarf, sondern richten ganze Büros als Komplettlösung ein. Eigene Innenarchitekten entwerfen für unsere Kunden Büroräume und unsere Schreinerei fertigt die entsprechenden Möbel an. Dieser Geschäftszweig ist so erfolgreich, dass die ganze Schreinerei dieses Jahr in neue Räume zieht.2
Ortloff ist in den 1950ern seit Jahrzehnten die erste Adresse für Bürobedarf in Köln.
Nit nor bei uns es baschtich vill loss, janz Kölle wandelt sich. Ich habe euch ja erzählt, wie stark Köln durch den zweiten Weltkrieg zerstört wurde. In den Nachkriegsjahren ist der Wohnungsbau also eines der wichtigsten Ziele.1 Aber typisch kölsch ist die Umsetzung etwas holprig: Von der Altstadt werden nur der Teil um das Rathaus und das Martinsviertel traditionell wieder aufgebaut. In vielen anderen Vierteln wird historische Bausubstanz, die noch nutzbar gewesen wäre, sogar weiter zerstört! Sie gilt im damaligen Zeitgeist einfach als nicht erhaltenswert.1 Wann ehr mich frögt, is dat en großer Fähler…
Die 1950er sind auch die Jahre der großen Wohnsiedlungen. Jetzt entstehen beispielsweise die Bruder-Klaus-Siedlung in Mülheim, die Ford-Siedlung in Niehl, die Stegerwaldsiedlung in Mülheim und noch einige mehr.1 Ich aber wohne immer noch am Großen Griechenmarkt, us minge Veedel kriss do mich nit erus.
Der wirtschaftliche Aufschwung sorgt auch dafür, dass sich immer mehr Kölner ein Auto leisten können. 1950 gibt es in der Stadt 24.000 angemeldete Kraftfahrzeuge – diese Zahl soll sich in den nächsten zehn Jahren mehr als vervierfachen!1
Also baut man die Stadt so, dass es für die Autos möglichst angenehm wird: Radwege werden eingestampft und die Nord-Süd-Fahrt zerschneidet die Altstadt und lässt traditionelle Straßen verschwinden.1 Dat dät mir zwar wih, ävver och mir bei Ortloff profitiere dovun – schließlich wird unser Fuhrpark immer größer und wir kommen so schneller zu unseren Kunden.
Ach leev Lück, wat wor dat schön: Vor drei Jahren konnten wir endlich wieder in unseren Dom. 1956 waren die Restaurierungsarbeiten soweit abgeschlossen, dass er zum Katholikentag wiedereröffnet werden konnte.1 Da moot isch glatt en Tron verdröcke.
Auch bei Ortloff geht es feierlich zu: Am 10. April 1959 haben wir groß gefeiert: Zum einen den 60. Geburtstag vun ming Baas Erich Ortloff und gleichzeitig unser 35-jähriges Firmenjubiläum.2 So viele Freunde und Geschäftspartner haben sich in unser Gästebuch eingetragen, es ist prall gefüllt. Besonders ins Auge gestochen sind mir die Glückwünsche der Firma Soennecken, mit der wir schon lange gut zusammenarbeiten.
Isch selvs kann kaum gläuve, dat uns Firma schon esu ald is. Es kommt mir so vor, als sei ich erst gestern mit pochendem Herzen zum ersten Tag meiner Lehre bei Ortloff angetreten.
Von Stillstand ist auch nach 35 Jahren keine Spur, im Gegenteil: Bei Ortloff geiht et immer wigger. Der berühmte Architekt Wilhelm Riphan bebaut jetzt das restliche Ruinengrundstück am Alten Posthof.2 Auf unser schönes Geschäftshaus wird ein 6. Stockwerk aufgesetzt, das wir Ende November einweihen können. Hier kommt die Büromaschinen-Werkstatt hinein und auch die kaufmännische Verwaltung, welche die letzten drei Jahre an den Neumarkt ausgelagert war.2 Jetz sinn mer endlich widder zosamme.
Ortloff geht es wirtschaftlich sehr gut, Köln aber auch: Um 1960 hat die Stadt annähernd die Vollbeschäftigung erreicht.1 Ein echtes Wirtschaftswunder!
Köln ist dabei ganz rot – zumindest im politischen Sinne. Seit 1956 ist die SPD die stärkste Partei und wird zum Teil sogar mit absoluter Mehrheit gewählt.1 Der Oberbürgermeister Theo Burauen ist ein echter kölsche Jung und sehr beliebt – wir nennen ihn "Döres", die kölsche Form von Theo. Er setzt auf politische Harmonie und ist mit Leib und Seele ein echter kölscher Oberbürgermeister, däm dat Wohl singer Stadt am Hätz litt.
Un hä is a jode Fründ vun minge Baas Erich Ortloff! Die beiden kennen sich noch aus Zeiten, an dem unser Geschäft am Ursulaplatz war. Sie sind sowohl geschäftlich als auch persönlich verbunden.2
Unter Theo Burauen entstehen viele wichtige Projekte. Zum Beispiel wird 1963 der allererste U-Bahnabschnitt fertig gestellt und bringt die Stadtbahn somit (teilweise) unter die Erde – zwischen Dom/Hauptbahnhof und Friesenplatz.1 Ende der 1960er Jahre herrscht ein großer Reformstau in der Gesellschaft in ganz Deutschland – in der 1968er-Revolte setzt sich die junge Generation kritisch mit ihren Eltern auseinander. In Köln entzünden sich interessanterweise über Proteste gegen eine Preiserhöhung der KVB: Im Oktober 1966 protestieren rund 7000 Schülerinnen und Schüler, Studentinnen und Studenten tumultartig gegen die Fahrpreiserhöhung von 0,33 auf 0,50 DM. Wann ehr mich frög de KVB sin a bisschen esu, wie alles en uns Stadt: chaotisch, undurchdaacht ävver em Grunde ärsch, ärsch liebenswert.
In Köln bricht aber trotz der Proteste gegen die Erhöhung der Ticketpreise keine ganz große 1968er-Studentenrevolte aus, es bleibt verhältnismäßig ruhig.1
Liebe Leute, das Geschäft brummt. Bei den vielen Kundenanfragen kommen wir kaum hinterher. Vor zwei Jahren hat Ortloff die Marke von 200 Mitarbeitern geknackt2 und unsere Belegschaft wird immer größer! Ob minge Baas Erich Ortloff das gedacht hätte, als er vor knapp 40 Jahren zum ersten Mal die Pforten seines Geschäfts am Ursulaplatz öffnete? Hä dät et mer nit verrode … Er ist weiterhin der professionelle Geschäftsmann, für den die Kundenzufriedenheit das Allerwichtigste ist.
Öm se sicherzostelle lööt hä sich immer neue Saache enfalle. Ende August erweitern wir unsere "ständige Büroausstellung für Maschinen, Möbel und Organisationsmittel" auf 1000 qm2 – ein Paradies für alle, die sich mit der Arbeit im Büro beschäftigen.
Und es gibt noch eine bahnbrechende Neuheit: Bei uns dürfen die Kunden nun auch allein durch das Geschäft schlendern und sich in Ruhe alles ansehen2. "Selbstwahl" nennt man das – sie ist extrem unüblich in Köln im Jahr 1962. Die Reaktionen unserer Geschäftsnachbarn sind so lustig! Die einen regen sich fürchterlich auf: "Selbstwahl, wat för en verdötschte Idee! Die Kunden wissen doch gar nicht, was sie brauchen!" Andere wiederum fürchten, dass die Selbstwahl den Verkäufer bald ganz ersetzt und ihr Job flöten geht. Dabei beraten wir bei Erich Ortloff unsere Kunden natürlich weiterhin ganz kompetent – nur eben begleitend.
Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in Feierlaune. Und das aus gutem Grund: Dieses Jahr zelebrieren wir gleich drei große Anlässe: das 40-jährige Firmenjubiläum von Ortloff, den 65. Geburtstag von minge Baas Erich Ortloff, der gleichzeitig sein 50-jähriges Berufsjubiläum ist.
Das alles feiern wir im großen Saal des renommierten Stadtwaldrestaurants, das in der Villa Kitschburg im Kölner Stadtwald ansässig ist. Leev Lück, wat han m'r et kraache looße! So viele Ehrengäste waren geladen, zum Beispiel der 1. Vorsitzende unserer großen Liebe, des 1. FC Kölns; der Vizepräsident der IHK Köln und auch Oberbürgermeister Theo Burauen, der ein guter Freund von Erich Ortloff ist. Er hält eine Rede, in der er minge Baas als fleißig, ideenreich und fantasiereich lobt – ein echter Kölner Kaufmann eben.2
Et weede nit nor Rädde geschwunge, sondern och jesunge un jedanz. Mer schlage us d'r Buch met bestem Esse voll und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen anlässlich dieses 3-fach Jubiläums eine Prämie ausgezahlt.2
Ein paar Tage später geht es wieder zurück an die Arbeit. Ävver en esu enem erfolgreichen Unternehmen mäht et richtich Feez! Wir sind mittlerweile eines der führenden Geschäfte unserer Branche in ganz Europa. Unsere Schaufensterfront ist 45 Meter lang, der Verkaufsraum 600 Quadratmeter, die ständige Büroausstellung sogar 1000 Quadratmeter.2
Unsere über 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in so vielen unterschiedlichen Abteilungen. Es gibt eine Werbe-Abteilung, eine Schreibmaschinen-Abteilung, eine Diktiermaschinen-Werkstatt, eine kaufmännische Abteilung, Papier und Schreibwaren, eine Dictaphone-Abteilung, eine Büromaschinen-Werkstatt, eine Fakturier-Buchungsmaschinen-Werkstatt, eine Maschinen-Abteilung und noch einige mehr … Dazu kommen noch der Fertigungsbetrieb der Schreinerei in der Scheidtweiler Straße und der Wagenpark.2
Mir bei Ortloff föhle us esu wie en jroße Familich. Einmal im Monat findet eine Besprechung statt in der jede und jeder die Gelegenheit hat, Anregungen und Kritik anzubringen. Für die Belegschaft gibt es eine Küche und einen Gemeinschaftsraum mit Konferenzecke, Musikecke und sogar eine Rednerecke.2
Alle tun ihr Bestes und verhelfen so dem Unternehmen zum Erfolg. Wie minge Baas in seiner großen Festrede sagte: "Den Umfang und die Sicherheit unserer Freiheit bestimmt nicht der materielle Fortschritt, sondern der Geist, der unserem Wirken und Schaffen innewohnt."
Ich fasse es nicht: Gerade stand er noch bei uns im Geschäft, letztes Jahr haben wir noch ein riesiges Fest miteinander gefeiert und jetzt ist er einfach nicht mehr da. Minge Baas Erich Ortloff stirbt am 19. Februar 1965 mit nur 65 Jahren.
Hä wor Hätz un Siel vun uns Firma, wie sull dat nor wiggerjon? Erich Ortloff hatte aber zu Lebzeiten schon ein paar Vorkehrungen getroffen, unter anderem wandelte er seine Einzelfirma in eine GmbH um und ernannte seine zweite Frau Gertraud Ortloff-Roever zur Geschäftsführerin.2
De letzte Johre jing et uns en Kölle ech jood. Das Wirtschaftswunder bescherte uns ein tolles Leben … Un och bei Ortloff ging et immer nor en ein Richtung: noh bovve! Jetzt wird Deutschland auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Wirtschaft verliert an Schwung, vor allem im Ruhrgebiet macht sich das bemerkbar. Die Nachfrage an Kohle sinkt, denn Erdöl wird günstiger und löst die Kohle vielerorts ab. Investitionen gehen zurück, Löhne werden gekürzt, viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden entlassen. Das Bruttosozialprodukt sinkt um 0,2 Prozent, die Arbeitslosenquote steigt von 0,7 auf 2,2 Prozent.5
Bundeskanzler Ludwig Erhard, der als Wirtschaftsminister maßgeblich für den wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegsjahre gesorgt hatte, lehnt jetzt ein staatliches Eingreifen in den Wirtschaftsprozess ab – sein Unvermögen, die Krise zu meistern, führt unter anderem zu seinem Rücktritt als Bundeskanzler am 30. November 1966.5 Hoffentlich geiht et bald widder noh bovve för uns all.
Quellen:
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