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Lihrjung Jupp verzällt

Jode Dach, staats dat ehr hee sid! Ich bin der Jupp und starte 1923 meine Lehre bei Erich Ortloff. Begleitet mich auf meinem Lebensweg. Ich erzähle von schönen und von schwierigen Zeiten, teile Erinnerungen mit euch und berichte von historischen Ereignissen in Deutschland, Köln und bei Ortloff während der letzten 100 Jahre.

Silhouette der Spitzen des Kölner Doms in schwarz-weiß. Am unteren Ende ist die Jahreszahl 1923 zu sehen.

Köln im Jahr 1923

Willkomme em Johr 2023, willkomme en minge Kölle! Es ist dreckig, an jeder Ecke sieht man Obdachlose und hungrige Kindergesichter. Es gibt zu wenig Wohnungen und noch weniger zu essen. Ävver isch kann mer nit helfe: Isch leev ming Stadt! Und die Menschen, die hier leben. So hart der Alltag für uns alle ist, irgendjemand hat doch immer en witzigen Sproch op d'r Lippen und manchmal sogar noch einen Kanten Brot für meine drei jüngeren Geschwister und mich übrig.

Wir wohnen in einer kleinen, düsteren Bude am Großen Griechenmarkt. Es ist nicht schön, aber immerhin ist es ein Dach über dem Kopf. Meine Eltern geben sich alle Mühe, uns über Wasser zu halten, ävver et es hadd. Vor allem, seitdem die Preise immer weiter in die Höhe schnellen.

Beginn der Hyperinflation

Die Comicfigur Jupp für 100 Jahre Ortloff in Köln ist wütend: Er hat die Hände zu Fäusten in den Hosentaschen geballt, kickt einen Fuß weg und schaut grimmig auf den Boden.

Vor vier Jahren haben wir noch 1,25 Mark für ein Kilo Brot bezahlt. Jetzt, Anfang 1923, sind es 750 Mark3 – dat muss man sich ens vörstelle! Und die Preise steigen jeden Tag. Warum das Ganze? Weil Deutschland es nicht hinbekommt, seine Reparationsleistungen zu zahlen, die es im Versailler Vertrag nach dem Ende des ersten Weltkriegs zugesagt hat. Was macht man dann? Man druckt einfach mehr Geld, ganz klar. Dass damit die Inflation durch die Decke schießt, hätte die Regierung sich eigentlich denken können – do wees de doch beklopp.

Französische Besetzung in Köln

Als ob das nicht reichen würde, sieht man jetzt überall französisches Militär in den Straßen. Frankreich ist ab dem 11.01.2023 im Rheinland und im Ruhrgebiet einmarschiert, um sicherzustellen, dass unsere Minen nicht absichtlich weniger produzieren, um Reparationsleistungen zu verhindern2 – sagen sie zumindest. Isch persöhnlich sin dat esu: die Franzosen versuchen, uns abzutrennen und vom Rest Deutschlands zu isolieren!

Die deutsche Regierung hat zum "passiven Widerstand" aufgerufen. Wir sollen also die Franzosen nicht bekämpfen, aber ohne Gewalt uns weigern, ihre Forderungen zu erfüllen. Trotzdäm brodelt et üverall, de Stimmung es total angespannt. In Köln ist am 23.01.1923 sogar ein Mädchen von einem französischen Soldaten erschossen worden – obwohl es gar nichts gemacht hatte, es stand einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort!2 Su jet määt misch wödig. Mit den ganzen Nationalisten, die jetzt durch die Straßen ziehen und patriotische Lieder singen kann ich trotzdem nichts anfangen. Sie rufen nach Rache, beschwören das so genannte Deutschtum und dürsten nach Blut. Haben wir davon nicht schon viel zu viel gesehen, haben alle den ersten Weltkrieg schon vergessen?

Köln im Wandel

Wenn mich das alles bedrückt, dann spaziere ich durch mein geliebtes Köln und sehe mir die ganzen Baustellen an. Denn trotz allem passet he jerade esu vill! Die Festungsringe werden abgebaut, das ist auch eine Abmachung aus dem Versailler Vertrag. Stattdessen will Oberbürgermeister Konrad Adenauer hier breite Parkbänder anlegen, Grüngürtel sollen sie heißen. Isch kann mer nit vorstelle, wie dat ussinn soll!

Auf die Schäl Sick komme ich eher selten, da kenne ich kaum jemanden. Aber vom Rheinufer kann ich drüben in Deutz die Messe sehen, die sich mitten im Bau befindet. Hier kann man den Gebäuden fast schon beim Wachsen zuschauen.

Und weit draußen, in Müngersdorf, soll ein großes Stadion gebaut werden. Ob hier mal richtig gut gekickt wird? Ich treffe mich lieber im Hinterhof mit meinen Freunden, wenn wir mal mit dem alten Lederball spielen wollen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir von unserer alten Nachbarin nicht erwischt werden – et hät emmer Sorge üm ihre kümmerliche Blömscher, de bei ehr für d'r Türe stonn.

Quellen:

  • 1Dietmar, Carl und Jung, Werner, Köln. Die große Stadtgeschichte. Essen: Klartext Verlag 2015.
  • 2Jones, Mark, 1923. Ein deutsches Trauma. Berlin: Ullstein Buchverlage GmbH 2022.
  • 3Schäfke, Werner, Die große Inflation 1914 bis 1924. Eine Kölner Geldgeschichte. Köln: Marzellen Verlag GmbH 2022.